Makros

Wir haben in diesem Buch Makros wie println! verwendet, aber wir haben noch nicht vollständig erforscht, was ein Makro ist und wie es funktioniert. Der Begriff Makro bezieht sich auf eine Familie von Funktionalitäten in Rust: Deklarative Makros mit macro_rules! und drei Arten prozeduraler Makros:

  • Benutzerdefinierte Makros mit #[derive], die Code spezifizieren, der mit dem Attribut derive hinzugefügt wurde, das bei Strukturen (structs) und Aufzählungen (enums) verwendet wird
  • Attribut-ähnliche Makros, die benutzerdefinierte Attribute definieren, die bei jedem Element verwendet werden können
  • Funktions-ähnliche Makros, die wie Funktionsaufrufe aussehen, aber auf den als Argument angegebenen Token operieren

Wir werden der Reihe nach über jedes dieser Themen sprechen, aber zuerst wollen wir uns ansehen, warum wir Makros überhaupt brauchen, wenn wir bereits Funktionen haben.

Der Unterschied zwischen Makros und Funktionen

Im Grunde genommen sind Makros eine Möglichkeit, Code zu schreiben, der anderen Code schreibt, was als Metaprogrammierung bekannt ist. In Anhang C besprechen wir das Attribut derive, das dir eine Implementierung verschiedener Merkmale (traits) generiert. Wir haben im ganzen Buch auch die Makros println! und vec! verwendet. All diese Makros werden expandiert, um mehr Code zu erzeugen als der Code, den du manuell geschrieben hast.

Metaprogrammierung ist nützlich, um die Menge an Code zu reduzieren, die du schreiben und pflegen musst, was auch eine der Aufgaben von Funktionen ist. Makros haben jedoch einige zusätzliche Fähigkeiten, die Funktionen nicht haben.

Eine Funktionssignatur muss die Anzahl und den Typ der Parameter deklarieren, die die Funktion hat. Makros hingegen können eine variable Anzahl von Parametern entgegennehmen: Wir können println!("Hallo") mit einem Argument oder println!("Hallo {}", name) mit zwei Argumenten aufrufen. Außerdem werden Makros expandiert, bevor der Compiler die Bedeutung des Codes interpretiert, sodass ein Makro beispielsweise ein Merkmal auf einen bestimmten Typ implementieren kann. Eine Funktion kann das nicht, weil sie zur Laufzeit aufgerufen wird und ein Merkmal zur Kompilierzeit implementiert werden muss.

Der Nachteil des Implementierens eines Makros anstelle einer Funktion besteht darin, dass Makrodefinitionen komplexer sind als Funktionsdefinitionen, weil du Rust-Code schreibst, der Rust-Code schreibt. Aufgrund dieser Indirektion sind Makrodefinitionen im Allgemeinen schwieriger zu lesen, zu verstehen und zu pflegen als Funktionsdefinitionen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Makros und Funktionen besteht darin, dass du Makros definieren oder in den Gültigkeitsbereich bringen musst, bevor du sie in einer Datei aufrufst, im Gegensatz zu Funktionen, die du überall definieren und überall aufrufen kannst.

Deklarative Makros mit macro_rules! für allgemeine Metaprogrammierung

Die am häufigsten verwendete Form von Makros in Rust ist das deklarative Makro. Diese werden manchmal auch als „Makros am Beispiel“ (macros by example), „macro_rules!-Makros“ oder einfach nur „Makros“ bezeichnet. In ihrem Kern erlauben deklarative Makros, etwas Ähnliches wie einen Rust-Ausdruck zu schreiben. Wie in Kapitel 6 besprochen, sind match-Ausdrücke Kontrollstrukturen, die einen Ausdruck entgegennehmen, den resultierenden Wert des Ausdrucks mit Mustern abgleichen und dann den Code ausführen, der mit dem passenden Muster verknüpft ist. Makros vergleichen ebenfalls einen Wert mit Mustern, die mit einem bestimmten Code verknüpft sind: In diesem Fall ist der Wert der literale Rust-Quellcode, der an das Makro übergeben wird; die Muster werden mit der Struktur dieses Quellcodes verglichen; und der mit jedem Muster verküpften Code ersetzt, wenn er passt, den an das Makro übergebenen Code. Dies alles geschieht während der Kompilierung.

Um ein Makro zu definieren, verwendest du das Konstrukt macro_rules!. Lass uns untersuchen, wie man macro_rules! benutzt, indem wir uns ansehen, wie das Makro vec! definiert wird. Kapitel 8 behandelte, wie wir das Makro vec! verwenden können, um einen neuen Vektor mit bestimmten Werten zu erzeugen. Zum Beispiel erzeugt das folgende Makro einen neuen Vektor mit drei ganze Zahlen:

#![allow(unused)]
fn main() {
let v: Vec<u32> = vec![1, 2, 3];
}

Wir könnten auch das Makro vec! verwenden, um einen Vektor aus zwei ganzen Zahlen oder einen Vektor aus fünf Zeichenkettenanteilstypen (string slices) zu erstellen. Mit einer Funktion wäre das nicht möglich, da uns weder die Anzahl noch den Typ der Werte im Voraus bekannt ist.

Codeblock 19-28 zeigt eine leicht vereinfachte Definition des Makros vec!.

Dateiname: src/lib.rs

#![allow(unused)]
fn main() {
#[macro_export]
macro_rules! vec {
    ( $( $x:expr ),* ) => {
        {
            let mut temp_vec = Vec::new();
            $(
                temp_vec.push($x);
            )*
            temp_vec
        }
    };
}
}

Codeblock 19-28: Eine vereinfachte Version der Makrodefinition vec!

Hinweis: Die eigentliche Definition des Makros vec! in der Standardbibliothek enthält Code zum Vorbelegen der korrekten Speichermenge. Dieser Code ist eine Optimierung, die wir hier zur Vereinfachung des Beispiels nicht darstellen.

Die Annotation #[macro_export] gibt an, dass dieses Makro immer dann zur Verfügung gestellt werden soll, wenn die Kiste (crate), in der das Makro definiert ist, in den Gültigkeitsbereich gebracht wird. Ohne diese Annotation kann das Makro nicht in den Gültigkeitsbereich gebracht werden.

Dann beginnen wir die Makrodefinition mit macro_rules! und dem Namen des Makros, das wir definieren, ohne Ausrufezeichen. Auf den Name, in diesem Fall vec, folgen geschweifte Klammern, die den Rumpf der Makrodefinition kennzeichnen.

Die Struktur im vec! -Rumpf ähnelt der Struktur eines match-Ausdrucks. Hier haben wir einen Zweig mit dem Muster ( $( $x:expr ),* ), gefolgt von => und dem mit diesem Muster verknüpften Codeblock. Wenn das Muster passt, wird der zugehörige Codeblock ausgegeben. Da dies das einzige Muster in diesem Makro ist, kann es nur einen passenden Zweig geben; jedes andere Muster führt zu einem Fehler. Komplexere Makros werden mehr als einen Zweig haben.

Die gültige Mustersyntax in Makrodefinitionen unterscheidet sich von der in Kapitel 18 behandelten Mustersyntax, da Makromuster mit der Rust-Codestruktur und nicht mit Werten abgeglichen werden. Lass uns im Folgenden die Bedeutung der Musterteile in Listing 19-28 betrachten; die vollständige Makromustersyntax findest du in der Rust-Referenz.

Zunächst verwenden wir ein äußeres Klammernpaar, um das gesamte Muster zu umfassen. Wir verwenden ein Dollarzeichen ($), um eine Variable im Makrosystem zu deklarieren, die den Rust-Code enthält, der zum Muster passt. Das Dollarzeichen macht deutlich, dass es sich um eine Makrovariable und nicht um eine normale Rust-Variable handelt. Danach folgt eine Reihe von Klammern, die Werte erfassen, die mit dem Muster innerhalb der Klammern übereinstimmen, um sie im Ersetzungscode zu verwenden. Innerhalb von $() befindet sich $x:expr, das mit jedem beliebigen Rust-Ausdruck übereinstimmt und dem Ausdruck den Namen $x gibt.

Das Komma nach $() gibt an, dass ein literales Komma-Trennzeichen optional nach dem Code erscheinen könnte, der mit dem Code in $() übereinstimmt. Der * besagt, dass das Muster keinmal oder mehrmals zu dem passt, was vor dem * steht.

Wenn wir dieses Makro mit vec![1, 2, 3]; aufrufen, passt das Muster $x dreimal zu den drei Ausdrücken 1, 2 und 3.

Betrachten wir nun das Muster im Hauptteil des mit diesem Zweig verknüpften Codes: temp_vec.push() innerhalb von $()* wird für jeden Teil erzeugt, der keinmal oder mehrmals mit $() im Muster übereinstimmt, je nachdem, wie oft das Muster passt. Das $x wird durch jeden passenden Ausdruck ersetzt. Wenn wir dieses Makro mit vec![1, 2, 3]; aufrufen, wird durch diesen Aufruf folgender Code generierte:

{
    let mut temp_vec = Vec::new();
    temp_vec.push(1);
    temp_vec.push(2);
    temp_vec.push(3);
    temp_vec
}

Wir haben ein Makro definiert, das eine beliebige Anzahl von Argumenten beliebigen Typs aufnehmen und Code zur Erstellung eines Vektors erzeugen kann, der die angegebenen Elemente enthält.

Um mehr darüber zu erfahren, wie man Makros schreibt, konsultiere die Online-Dokumentation oder andere Ressourcen, wie zum Beispiel „The Little Book of Rust Macros“ (engl. „Das kleine Buch der Rust-Makros“).

Prozedurale Makros zur Code-Generierung aus Attributen

Die zweite Form von Makros ist das prozedurale Makro, das sich eher wie eine Funktion verhält (und eine Art Prozedur ist). Prozedurale Makros akzeptieren etwas Code als Eingabe, operieren mit diesem Code und erzeugen etwas Code als Ausgabe, anstatt gegen Muster abzugleichen und den Code durch anderen Code zu ersetzen, wie es deklarative Makros tun. Die drei Arten von prozeduralen Makros (benutzerdefinierte derive-Makros, Attribut-ähnliche und Funktions-ähnliche) arbeiten alle auf ähnliche Weise.

Beim Erstellen von prozeduralen Makros müssen sich die Definitionen in einer eigenen Kiste mit einem speziellen Kistentyp befinden. Dies geschieht aus komplexen technischen Gründen, die wir hoffentlich in Zukunft eliminieren werden. In Codeblock 19-29 zeigen wir, wie man ein prozedurales Makro definiert, wobei some_attribute ein Platzhalter für die Verwendung einer bestimmten Makro-Variante ist.

Dateiname: src/lib.rs

use proc_macro;

#[some_attribute]
pub fn some_name(input: TokenStream) -> TokenStream {
}

Codeblock 19-29: Beispiel für die Definition eines prozeduralen Makros

Die Funktion, die ein prozedurales Makro definiert, nimmt einen TokenStream als Eingabe und erzeugt einen TokenStream als Ausgabe. Der Typ TokenStream wird durch die Kiste proc_macro definiert, die in Rust enthalten ist und eine Folge von Token darstellt. Dies ist der Kern des Makros: Der Quellcode, mit dem das Makro arbeitet, bildet die Eingabe TokenStream, und der Code, den das Makro erzeugt, ist die Ausgabe TokenStream. Die Funktion hat auch ein Attribut, das angibt, welche Art prozedurales Makro wir erstellen. Wir können mehrere Arten prozeduraler Makros in derselben Kiste haben.

Schauen wir uns die verschiedenen Arten prozeduraler Makros an. Wir beginnen mit einem benutzerdefinierten derive-Makro und erklären dann die kleinen Unterschiede, in denen sich die anderen Formen unterscheiden.

Wie man ein benutzerdefiniertes Makro mit derive schreibt

Lass uns eine Kiste namens hello_macro erstellen, die ein Merkmal namens HelloMacro mit einer assoziierten Funktion namens hello_macro definiert. Anstatt unsere Benutzer dazu zu bringen, das Merkmal HelloMacro für jeden ihrer Typen zu implementieren, werden wir ein prozedurales Makro zur Verfügung stellen, damit die Benutzer ihren Typ mit #[derive(HelloMacro)] annotieren können, um eine Standardimplementierung der Funktion hello_macro zu erhalten. Die Standardimplementierung gibt Hallo Makro! Mein Name ist TypeName! aus, wobei TypeName der Name des Typs ist, auf dem dieses Merkmal definiert wurde. Mit anderen Worten, wir werden eine Kiste schreiben, die es einem anderen Programmierer ermöglicht, mit unserer Kiste Code wie Codeblock 19-30 zu schreiben.

Dateiname: src/main.rs

use hello_macro::HelloMacro;
use hello_macro_derive::HelloMacro;

#[derive(HelloMacro)]
struct Pancakes;

fn main() {
    Pancakes::hello_macro();
}

Codeblock 19-30: Code, den ein Benutzer unserer Kiste schreiben kann, wenn er unser prozedurales Makro benutzt

Dieser Code gibt Hallo Makro! Mein Name ist Pancakes! aus, wenn wir fertig sind. Der erste Schritt ist das Erstellen einer neuen Bibliothekskiste (library crate), etwa so:

$ cargo new hello_macro --lib

Als Nächstes definieren wir das Merkmal HelloMacro und die damit assoziierte Funktion:

Dateiname: src/lib.rs

#![allow(unused)]
fn main() {
pub trait HelloMacro {
    fn hello_macro();
}
}

Wir haben ein Merkmal und seine Funktion. An diesem Punkt könnte unser Kistenbenutzer das Merkmal so implementieren, dass die gewünschte Funktionalität erreicht wird:

use hello_macro::HelloMacro;

struct Pancakes;

impl HelloMacro for Pancakes {
    fn hello_macro() {
        println!("Hallo Makro! Mein Name ist Pancakes!");
    }
}

fn main() {
    Pancakes::hello_macro();
}

Allerdings müssten sie den Implementierungsblock für jeden Typ, den sie mit hello_macro verwenden wollten, schreiben; wir wollen ihnen diese Arbeit ersparen.

Außerdem können wir die Funktion hello_macro noch nicht mit einer Standardimplementierung versehen, die den Namen des Typs ausgibt, auf dem das Merkmal implementiert ist: Rust hat keine Reflektionsfähigkeiten, sodass es den Namen des Typs zur Laufzeit nicht nachschlagen kann. Wir benötigen ein Makro, um zur Kompilierzeit Code zu generieren.

Der nächste Schritt ist das Definieren des prozeduralen Makros. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Dokuments müssen sich die prozeduralen Makros in einer eigenen Kiste befinden. Irgendwann könnte diese Einschränkung aufgehoben werden. Die Konvention für die Strukturierung von Kisten und Makrokisten lautet wie folgt: Für eine Kiste mit dem Namen foo wird eine prozedurale Makrokiste mit einem benutzerdefinierten derive-Makro als foo_derive bezeichnet. Beginnen wir eine neue Kiste mit dem Namen hello_macro_derive innerhalb unseres hello_macro-Projekts:

$ cargo new hello_macro_derive --lib

Unsere beiden Kisten sind eng miteinander verwandt, daher erstellen wir die prozedurale Makrokiste innerhalb des Verzeichnisses unserer Kiste hello_macro. Wenn wir die Merkmalsdefinition in hello_macro ändern, müssen wir auch die Implementierung des prozeduralen Makros in hello_macro_derive ändern. Die beiden Kisten müssen getrennt veröffentlicht werden und Programmierer, die diese Kisten verwenden, müssen beide als Abhängigkeiten hinzufügen und beide in den Gültigkeitsbereich bringen. Wir könnten stattdessen die Kiste hello_macro als Abhängigkeit hello_macro_derive verwenden lassen und den prozeduralen Makrocode erneut exportieren. Wie auch immer, die Art und Weise, wie wir das Projekt strukturiert haben, ermöglicht es den Programmierern, hello_macro zu benutzen, selbst wenn sie die derive-Funktionalität nicht wollen.

Wir müssen die Kiste hello_macro_derive als prozedurale Makro-Kiste deklarieren. Wie du gleich sehen wirst, benötigen wir auch Funktionalität von den Kisten syn und quote, also müssen wir sie als Abhängigkeiten angeben. Füge das Folgende zur Datei Cargo.toml für hello_macro_derive hinzu:

Dateiname: hello_macro_derive/Cargo.toml

[lib]
proc-macro = true

[dependencies]
syn = "1.0"
quote = "1.0"

Um mit der Definition des prozeduralen Makros zu beginnen, platziere den Code in Codeblock 19-31 in deine Datei src/lib.rs der Kiste hello_macro_derive. Beachte, dass dieser Code nicht kompiliert werden kann, bis wir eine Definition für die Funktion impl_hello_macro hinzufügen.

Dateiname: hello_macro_derive/src/lib.rs

extern crate proc_macro;

use proc_macro::TokenStream;
use quote::quote;
use syn;

#[proc_macro_derive(HelloMacro)]
pub fn hello_macro_derive(input: TokenStream) -> TokenStream {
    // Konstruiere eine Repräsentation des Rust-Codes als Syntaxbaum,
    // den wir manipulieren können
    let ast = syn::parse(input).unwrap();

    // Baue die Merkmal-Implementierung
    impl_hello_macro(&ast)
}

Codeblock 19-31: Code, den die meisten prozeduralen Makrokisten benötigen, um Rust-Code zu verarbeiten

Beachte, dass wir den Code aufgeteilt haben in die Funktion hello_macro_derive, die für das Parsen des TokenStream verantwortlich ist, und die Funktion impl_hello_macro, die für die Transformation des Syntaxbaums verantwortlich ist: Dies macht das Schreiben eines prozeduralen Makros bequemer. Der Code in der äußeren Funktion (in diesem Fall hello_macro_derive) wird für fast jede prozedurale Makro-Kiste, die du siehst oder erstellst, derselbe sein. Der Code, den du im Rumpf der inneren Funktion (in diesem Fall impl_hello_macro) angibst, wird je nach Zweck deines prozeduralen Makros unterschiedlich sein.

Wir haben drei neue Kisten eingeführt: proc_macro, syn und quote. Die Kiste proc_macro kommt mit Rust, sodass wir das nicht zu den Abhängigkeiten in Cargo.toml hinzufügen mussten. Die Kiste proc_macro ist die API des Compilers, die es uns erlaubt, den Rust-Code aus unserem Code zu lesen und zu manipulieren.

Die Kiste syn parst den Rust-Code von einer Zeichenkette in eine Datenstruktur, auf der wir Operationen durchführen können. Die Kiste quote wandelt syn-Datenstrukturen wieder in Rust-Code um. Diese Kisten machen es viel einfacher, jede Art von Rust-Code zu parsen, den wir vielleicht verarbeiten wollen: Einen vollständigen Parser für Rust-Code zu schreiben, ist keine einfache Aufgabe.

Die Funktion hello_macro_derive wird aufgerufen, wenn ein Benutzer unserer Bibliothek #[derive(HelloMacro)] an einen Typ spezifiziert. Dies ist möglich, weil wir die Funktion hello_macro_derive hier mit proc_macro_derive annotiert und den Namen HelloMacro angegeben haben, der unserem Merkmalsnamen entspricht; dies ist die Konvention, der die meisten prozeduralen Makros folgen.

Die Funktion hello_macro_derive wandelt zunächst input aus einem TokenStream in eine Datenstruktur um, die wir dann interpretieren und Operationen darauf ausführen können. Hier kommt syn ins Spiel. Die Funktion parse in syn nimmt einen TokenStream und gibt eine DeriveInput-Struktur zurück, die den geparsten Rust-Code repräsentiert. Codeblock 19-32 zeigt die relevanten Teile der Struktur DeriveInput, die wir vom Parsen der Zeichenkette struct Pancakes; erhalten:

DeriveInput {
    // --abschneiden--

    ident: Ident {
        ident: "Pancakes",
        span: #0 bytes(95..103)
    },
    data: Struct(
        DataStruct {
            struct_token: Struct,
            fields: Unit,
            semi_token: Some(
                Semi
            )
        }
    )
}

Codeblock 19-32: Die DeriveInput-Instanz erhalten wir beim Parsen des Codes, den das Attribut des Makros in Codeblock 19-30 hat

Die Felder dieser Struktur zeigen, dass der Rust-Code, den wir geparst haben, eine Einheitsstruktur (unit struct) mit dem ident (identifier, engl. Bezeichner, d.h. dem Namen) von Pancakes ist. Es gibt weitere Felder in dieser Struktur zur Beschreibung aller Arten von Rust-Code; weitere Informationen findest du in der syn-Dokumentation für DeriveInput.

Bald werden wir die Funktion impl_hello_macro definieren, wo wir den neuen Rust-Code bauen werden, den wir einbinden wollen. Aber bevor wir das tun, beachte, dass die Ausgabe für unser derive-Makro ebenfalls ein TokenStream ist. Der zurückgegebene TokenStream wird dem Code hinzugefügt, den unsere Kisten-Benutzer schreiben. Wenn sie also ihre Kiste kompilieren, erhalten sie die zusätzliche Funktionalität, die wir im modifizierten TokenStream zur Verfügung stellen.

Du hast vielleicht bemerkt, dass wir unwrap aufrufen, um die Funktion hello_macro_derive abstürzen zu lassen, wenn der Aufruf der Funktion syn::parse hier fehlschlägt. Es ist notwendig, dass unser prozedurales Makro bei Fehlern abstürzt, weil proc_macro_derive-Funktionen einen TokenStream zurückgeben müssen, kein Result, um mit der prozeduralen Makro-API konform zu sein. Wir haben dieses Beispiel vereinfacht, indem wir unwrap verwendet haben; in Produktionscode solltest du spezifischere Fehlermeldungen darüber angeben, was schief gelaufen ist, indem du panic! oder expect verwendest.

Da wir nun den Code haben, um den annotierten Rust-Code aus einem TokenStream in eine DeriveInput-Instanz zu verwandeln, lass uns den Code generieren, der das Merkmal HelloMacro auf dem annotierten Typ implementiert, wie in Codeblock 19-33 gezeigt.

Dateiname: hello_macro_derive/src/lib.rs

extern crate proc_macro;

use proc_macro::TokenStream;
use quote::quote;
use syn;

#[proc_macro_derive(HelloMacro)]
pub fn hello_macro_derive(input: TokenStream) -> TokenStream {
    // Konstruiere eine Repräsentation des Rust-Codes als Syntaxbaum,
    // den wir manipulieren können
    let ast = syn::parse(input).unwrap();

    // Baue die Merkmal-Implementierung
    impl_hello_macro(&ast)
}

fn impl_hello_macro(ast: &syn::DeriveInput) -> TokenStream {
    let name = &ast.ident;
    let gen = quote! {
        impl HelloMacro for #name {
            fn hello_macro() {
                println!("Hallo Makro! Mein Name ist {}!", stringify!(#name));
            }
        }
    };
    gen.into()
}

Codeblock 19-33: Implementierung des Merkmals HelloMacro unter Verwendung des geparsten Rust-Codes

Wir erhalten eine Ident-Strukturinstanz, die den Namen (Bezeichner) des annotierten Typs enthält, indem wir ast.ident verwenden. Die Struktur in Codeblock 19-32 zeigt, dass, wenn wir die Funktion impl_hello_macro auf den Code in Codeblock 19-30 anwenden, das erhaltene ident ein Feld ident mit dem Wert "Pancakes" enthält. So wird die Variable name in Codeblock 19-33 eine Instanz der Struktur Ident enthalten, die die Zeichenkette "Pancakes" ausgibt, der Name der Struktur in Codeblock 19-30.

Mit dem Makro quote! können wir den Rust-Code definieren, den wir zurückgeben wollen. Der Compiler erwartet etwas anderes als das direkte Ergebnis der Ausführung des quote!-Makros, also müssen wir es in einen TokenStream konvertieren. Wir tun dies, indem wir die into-Methode aufrufen, die diese Zwischendarstellung konsumiert und einen Wert des erforderlichen Typs TokenStream zurückgibt.

Das Makro quote! bietet auch einige sehr coole Vorlage-Mechanismen: Wir können #name eingeben und quote! wird es durch den Wert in der Variablen name ersetzen. Du kannst sogar einige Wiederholungen machen, ähnlich wie normale Makros funktionieren. Schaue dir die Dokumentation der Kiste quote! für eine gründliche Einführung an.

Wir wollen, dass unser prozedurales Makro eine Implementierung unseres Merkmals HelloMacro für den Typ, den der Benutzer annotiert hat, erzeugt, die wir mit #name erhalten können. Die Merkmalssimplementierung hat eine Funktion hello_macro, deren Rumpf die Funktionalität enthält, die wir zur Verfügung stellen wollen: Ausgeben von Hallo Makro! Mein Name ist und dann der Name des annotierten Typs.

Das hier verwendete Makro stringify! ist in Rust eingebaut. Es nimmt einen Rust-Ausdruck, z.B. 1 + 2, und verwandelt diesen zur Kompilierzeit in ein Zeichenketten-Literal, z.B. "1 + 2". Dies unterscheidet sich von format! oder println!; Makros, die den Ausdruck auswerten und dann das Ergebnis in einen String umwandeln. Es besteht die Möglichkeit, dass die Eingabe #Name ein Ausdruck ist, der literal auszugeben ist, also verwenden wir stringify!. Die Verwendung von stringify! erspart zudem eine Speicherzuweisung, indem #name zur Kompilierzeit in ein Zeichenketten-Literal umgewandelt wird.

An diesem Punkt sollte cargo build sowohl bei hello_macro als auch bei hello_macro_derive erfolgreich durchlaufen. Schließen wir diese Kisten an den Code in Codeblock 19-30 an, um das prozedurale Makro in Aktion zu sehen! Erstelle ein neues Binärprojekt in deinem projects-Verzeichnis durch Aufrufen von cargo new pancakes. Wir müssen hello_macro und hello_macro_derive als Abhängigkeiten in der Datei Cargo.toml der Kiste pancakes hinzufügen. Wenn du deine Versionen von hello_macro und hello_macro_derive in crates.io veröffentlichst, wären das reguläre Abhängigkeiten; wenn nicht, kannst du sie wie folgt als path-Abhängigkeiten angeben:

hello_macro = { path = "../hello_macro" }
hello_macro_derive = { path = "../hello_macro/hello_macro_derive" }

Gib den Code in Codeblock 19-30 in src/main.rs ein und rufe cargo run auf: Es sollte Hallo Makro! Mein Name ist Pancakes! ausgeben. Die Implementierung des Merkmals HelloMacro aus dem prozeduralen Makro wurde eingefügt, ohne dass die Kiste pancakes es implementieren musste; #[derive(HelloMacro)] fügte die Merkmalsimplementierung hinzu.

Als Nächstes wollen wir untersuchen, inwiefern sich die anderen Arten prozeduraler Makros von den benutzerdefinierten derive-Makros unterscheiden.

Attribut-ähnliche Makros

Attribut-ähnliche Makros ähneln den benutzerdefinierten derive-Makros, aber anstatt Code für das derive-Attribut zu generieren, erlauben sie dir, neue Attribute zu erstellen. Sie sind auch flexibler: derive funktioniert nur bei Strukturen und Aufzählungen; Attribute können auch auf andere Elemente, z.B. Funktionen, angewendet werden. Hier ist ein Beispiel für die Verwendung eines Attribut-ähnlichen Makros: Nehmen wir an, du hast ein Attribut namens route, das Funktionen annotiert, wenn du ein Webapplikations-Framework verwendest:

#[route(GET, "/")]
fn index() {

Dieses Attribut #[route] würde durch das Framework als prozedurales Makro definiert werden. Die Signatur der Makrodefinitionsfunktion würde wie folgt aussehen:

#[proc_macro_attribute]
pub fn route(attr: TokenStream, item: TokenStream) -> TokenStream {

Hier haben wir zwei Parameter vom Typ TokenStream. Der erste ist für die Inhalte GET, "/" des Attributs. Der zweite ist für den Rumpf des Elements, an den das Attribut angehängt ist: In diesem Fall fn index() {} und der Rest des Funktionsrumpfs.

Abgesehen davon funktionieren Attribut-ähnliche Makros auf die gleiche Weise wie benutzerdefinierte derive-Makros: Sie erstellen eine Kiste mit dem Kistentyp proc-macro und implementieren eine Funktion, die den gewünschten Code generiert!

Funktions-ähnliche Makros

Funktions-ähnliche Makros definieren Makros, die wie Funktionsaufrufe aussehen. Ähnlich wie macro_rules!-Makros sind sie flexibler als Funktionen; sie können zum Beispiel eine unbekannte Anzahl von Argumenten aufnehmen. Makros können jedoch nur mit der match-ähnlichen Syntax definiert werden, die wir im Abschnitt „Deklarative Makros mit macro_rules! für allgemeine Metaprogrammierung“ besprochen haben. Funktions-ähnliche Makros nehmen einen TokenStream-Parameter und ihre Definition manipuliert diesen TokenStream unter Verwendung von Rust-Code, wie es die beiden anderen Arten prozeduraler Makros tun. Ein Beispiel für ein Funktions-ähnliches Makro ist ein Makro sql!, das auf diese Weise aufgerufen werden könnte:

let sql = sql!(SELECT * FROM posts WHERE id=1);

Dieses Makro würde die darin enthaltene SQL-Anweisung parsen und prüfen, ob sie syntaktisch korrekt ist, was eine viel komplexere Verarbeitung ist, als es ein macro_rules!-Makro tun kann. Das Makro sql! würde wie folgt definiert werden:

#[proc_macro]
pub fn sql(input: TokenStream) -> TokenStream {

Diese Definition ähnelt der Signatur des benutzerdefinierten derive-Makros: Wir erhalten die Token, die sich innerhalb der Klammern befinden, und geben den Code zurück, den wir generieren wollen.

Zusammenfassung

Puh! Jetzt hast du einige Rust-Funktionalitäten in deinem Werkzeugkasten, die du nicht oft verwenden wirst, aber du wirst wissen, dass sie unter ganz bestimmten Umständen verfügbar sind. Wir haben mehrere komplexe Themen eingeführt, sodass du diese Konzepte und Syntax erkennen kannst, wenn du ihnen in Vorschlägen für Fehlermeldungen oder im Code anderer Leute begegnest. Verwende dieses Kapitel als Referenz, um Lösungen zu finden.

Als Nächstes werden wir alles, was wir im Laufe des Buches besprochen haben, in die Praxis umsetzen und ein weiteres Projekt durchführen!